Blaue Vögel Gäste Schreiben 7 Kommentare
Die Zusammenarbeit zwischen Autorin und Lektorin ist ein sensibles Feld. In einem Gastartikel beschreibt meine Lektorin Dorothea Kenneweg dies am Beispiel meines ursprünglichen ersten Satzes beim Roman "Rausgekickt: Blaue Vögel".
Rosen machen ihr Angst
So lautete der erste Satz des Manuskripts “Rausgekickt: Blaue Vögel”, als ich es zum Lektorieren auf den Schreibtisch bekam. Ein starker Satz, der Irritationen hervorruft. Zu viel Irritation, fand ich und verbannte ihn von seinem Platz in der ersten Reihe weiter nach hinten.Nachdem Vera das Manuskript nach dem ersten Lektoratsdurchgang mit meinen Korrekturen und Anmerkungen zurückbekommen hatte, war sie mit den allermeisten Änderungsvorschlägen einverstanden, aber an ihrem originellen ersten Satz, auf den sie so stolz war, wollte sie unbedingt festhalten.
Ein typisches Tauziehen zwischen Autorin und Lektorin begann.
Natürlich hat der Autor am Ende das letzte Wort, immerhin ist es sein Buch und es ist für ihn oft schon schwierig genug, dass eine andere Person in seinem Werk “herumpfuscht”. Der Lektorin muss schon gute Argumente haben, um ihre Vorschläge zu begründen. Und ein Lektor hat ja auch nicht immer recht.
Ich sah die Gefahr, den Leser gleich mit einem so sperrigen Satz vor den Kopf zu stoßen und aus der Geschichte “rauszukicken”. Also war ich dafür, ihn erst zwei, drei Sätze später zu platzieren, wo er dann als Widerhaken immer noch seine Wirkung entfalten konnte. Vera hat sich schließlich überzeugen lassen und der besagte Absatz geht nun so:
Alles wirkt freundlich und lieblich in diesem Blumenladen. Mechthild beobachtet die Floristin, die mit einem Kunden spricht. Beide lächeln. Flirten sie etwa miteinander? Der Anblick fasziniert sie und versetzt ihr dennoch Stiche, als würden Rosen ihr Herz attackieren. Rosen machen ihr Angst. Dies ist keine besondere Auszeichnung für die Rosen, denn ihr machen viele Dinge Angst.
Allerdings war dies noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Nach dem Feedback einer Testleserin und einem weiteren Lektoratsdurchgang mit besonderem Fokus auf den Einstieg in die Geschichte beginnt das Buch jetzt ganz anders, nämlich mit der Vorstellung der Schicksalsboten Nullneun und Einszwo, die Mechthild durch die Fensterscheibe des Blumenladens beobachten.
Der Anfang eines Romans ist unheimlich wichtig und nicht umsonst hat es neulich eine Liebesromanautorin mal wenig damenhaft so formuliert: “Der erste Satz ist ein Arschloch”. Manchmal doktert man ewig daran herum. Der Romananfang muss den Leser in die Geschichte hineinziehen und neben dem Cover und dem Klappentext dafür sorgen, dass das Buch überhaupt gekauft und dann zuende gelesen, geliebt und weiterempfohlen wird. Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.
Darum bekommen der erste Satz, der erste Absatz, die ersten Kapitel besondere Aufmerksamkeit im Lektorat.
Die ersten Passagen von “Blaue Vögel” sind schließlich noch öfter als zwei Mal zwischen uns hin- und hergegangen, bis das Ergebnis uns beide – Autorin und Lektorin – zufriedengestellt hat.
Veras erster Satz hat im Roman nun eine weniger prominente Stelle eingenommen, darum möchte ich ihn hier als Überschrift meines Gastartikels noch einmal besonders ins Scheinwerferlicht rücken.
Ich wünsche noch vielen Lesern eine gute Zeit mit Mechthild und den Schicksalsboten in “Rausgekickt. Blaue Vögel” und freue mich schon auf die Zusammenarbeit mit Vera an ihrem nächsten Roman.
Nachtrag: Dies ist der Anfang, wie er letztlich geworden ist:
Wieso brauchen sie hier so viele Versicherungen? Missmutig tritt Eins-Zwo von einem Bein auf das andere. ...
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Rosen machen ihr Angst
Ich habe eine Frage: Ist der Absatz nur dahin gehend verändert, dass der Satz an einer anderen Stelle platziert wurde? Oder ist der erste Absatz generell verändert worden?
Ich muss gestehen, dass mir der Gedanke, diesen ersten schweren Satz an den Anfang zu stellen, gut gefällt, besser als ihn irgendwo sonst in die Bedeutungslosigkeit, zwischen vielen anderen Sätzen zu schicken. Ich liebe es mit einem Schlag drin im Thema zu sein, mag das Tütteldü drum herum nicht, schnörkellos rein und mitten drin sein. Für mich ist nicht der erste Satz entscheidend, für mich sind des die ersten 50 Seiten. Schaffen sie es nicht mich im Geschehen zu halten, dann lege ich das Werk weg. Mir persönlich hätte dieser strittige Satz als erster, eröffnender Satz genau dort, wo er war besser gefallen, weil er bildet einen super gut gelungenen Kontrast zu dem, was dann folgt, bildet, er fordert Aufmerksamkeit, Mitdenken. Aber da ich nicht weiß wie dieser Absatz vor dem Lektorat weiter gegangen war, ist das nur bedingt.
Herzliche Grüße
Gitta
Erster Satz
Ich schließe mich Gitta an. Den ersten Satz hätte ich dort gelassen.
"Alles wirkt freundlich und lieblich in diesem Blumenladen."
Da würde ich mich schon schwertun. Die Begründung, solch einen trivialen Satz an den Anfang zu nehmen, verstehe ich nicht. Bei dem anderen wird außerdem schon direkt ein Konflikt angedeutet, man hält sofort Ausschau nach dem Problem, das uns in der Geschichte begegnet.
Grüßen von
Isa
Rosen und Angst?
Ich muss mich Gitta und Isa anschließen!
Genau solche Sätze mit ungewöhnlichen Inhalten als Einstieg verleiten zum Weiterlesen.
"Angstmachende Rosen? Nie gehört - interessant, also schnell mal weiterlesen ..." So ähnlich wird das dann im Buchladen ablaufen.
viele Grüße
von Marlies Lüer, Autorin von Miras Welt
Richtig oder falsch
Na, ich sehe, das Tauziehen geht weiter … Freut mich. Man sieht, wie man sich an einer einzelnen Textstelle verbeißen kann.
Ich freue mich auch, dass die hier Kommentierenden auch Spaß am Sperrigen haben können. Aber das Ziel war ja, allen Lesern den Einstieg zu erleichtern. Daher wurde es schließlich ja auch noch ein ganz anderes erstes Kapitel.
Der betreffende Absatz wurde nicht ganz umgeschrieben, sondern wir haben nur die Reihenfolge der Sätze geändert. Das war an anderen Stellen anders, wo ich durchaus auch mal vorschlage, ganze Absätze zu streichen …
Damit Autor und Lektor am Ende zu einem sich für alle gut anfühlenden Ergebnis kommen, müssen sie "dieselbe Sprache sprechen". Gerade in einem solchen Fall, wo es kein objektives "Richtig" oder "Falsch" geben kann.
1. Satz
Nun, ich finde es schade um den explodierenden 1. Satz.
Jetzt fängt der Text beliebig an, ich wäre gar nicht bis zu dem Hammersatz gekommen bei einer Leseprobe.
LG
1. Satz
Hallo Elsa, danke für Deinen Kommentar. Wir haben uns entschieden, das Buch ganz anders beginnen zu lassen. Da hätte dann dieser Satz nicht mehr gepasst. Du hast das Buch ja noch zur Rezension vorliegen. Ich bin gespannt, was Du zum letztlich realisierten Anfang (und dem ganzen Rest) sagst.
Herzlichen Gruß,
Vera
Rezension
Liebe Vera, dann bin ich gespannt!
Liebe Grüße,
Elsa