Meinung 2 Kommentare
Im Januar war es, als ich begann, Werbung für mein Buch zu machen. Ich hatte tolle Postkarten gedruckt, die ich auslegen wollte und diese drückte ich jedem Menschen in die Hand, der mir begegnete. Darauf standen Details zu meinem Buch und der folgenschwere Satz "Überall, wo es eBooks gibt". Damals hörte ich sie zum ersten Mal, die Aussage, die mich fortan nicht mehr loslassen sollte: "EBook? Ich lesen keine eBooks. Ich brauche das Haptische." Zumeist sah mein Gegenüber den etwas konsternierten Ausdruck in meinem Gesicht und versuchte dann, diese Aussage zu untermalen, in dem er so Dinge sagte wie "Weißt du, ich möchte Eselsohren machen können." oder "Ich liebe den Geruch von Büchern."
Ich gebe zu, manchmal habe ich in Ermangelung eines Lesezeichens auch schon Eselsohren in ein Buch gemacht, um mir die Seite zu merken, an der ich gerade angelangt war. Allerdings sind mir besondere Glücksgefühle bei diesem Tun bisher nicht aufgefallen. Auch schnuppere ich gewöhnlich nicht an Büchern. Als gelegentliche USA-Reisende kenne ich im Gegenteil diesen penetranten Geruch in amerikanischen Buchhandlungen und empfinde dies nicht als erhaltenswerte Errungenschaft. Aber vielleicht gibt es ja einen Personenkreis, dem die reine Berührung von Papier Glücksgefühle beschert. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, diesen Menschen, die doch so sehr der Haptik verfallen sind, spontan ein Blatt Papier in die Hand zu drücken und ihren Gesichtsausdruck zu beobachten, ob dieser sofort durch Glückswallungen geprägt wird. Ich habe es bisher nicht getan, weil ich davon überzeugt bin, dass mir dann eher Ratlosigkeit oder Erstaunen entgegenblicken würde.
Brad Watson-Davelaar@Flickr |
Denn sind wir doch ehrlich. Die Berührung von Papier löst keine Glücksgefühle aus. Die Aussage "Ich brauche das Haptische" ist doch eher dem Umstand geschuldet, dass es die Menschen seit Jahrhunderten nicht anders kennen. Ich selbst bin aus einer Generation, die mit Langspielplatten groß geworden ist. Ich habe sie noch. Zwischenzeitlich habe ich die meisten schön digitalisiert, damit ich die Stücke meiner Jugend nun im Auto hören kann und alle meine bekannten Kratzer wiedererkenne. Aber ich kaufe heute keine Langspielplatten mehr. Nun gibt es Langspielplatten vielleicht gerade 100 Jahre. Bücher gibt es schon Jahrhunderte. Um 1450 begann Gutenberg mit dem Buchdruck. Dies hat Vieles möglich gemacht und wurde nicht umsonst 1997 zur bedeutendsten Erfindung des zweiten Jahrtausends gewählt. Nur stellen wir uns einen kurzen Moment mal vor, es hätte um 1450 bereits das Internet und eReader gegeben. Hätte dann Gutenberg noch den Buchdruck erfunden? Oder umgekehrt. Stellen wir uns unsere heutige Zeit vor mit allen technischen Errungenschaften, müssten wir dann noch das Buch aus Papier erfinden, falls es das nicht gäbe? Vielleicht weil sich die Menschen nach dem Haptischen sehnen würden? Sicher nicht. Der Gutenberg von heute (Nein, ich meine nicht den ehemaligen Minister) würde eBooks lesen. Schließlich war er ein fortschrittlicher und erfindungsreicher Geist.
Der Reiz der herkömmlichen Buches liegt zu einem großen Teil, wenn nicht sogar gänzlich, in dem Umstand, dass wir seit Jahrhunderten nichts anderes kennen, weil wir damit aufgewachsen sind und weil Unmengen an Wissen in dieser Form gespeichert sind. Es ist überhaupt nicht verwerflich, sich von liebgewonnenen Gewohnheiten nicht trennen zu wollen. Und wem das Machen von Eselsohren ein heimeliges Gefühl gibt, dem gönne ich es von Herzen. Dies allerdings allerdings als Argument zu nehmen, dass es auch immer so bleiben wird, halte ich für vermessen. Genauso, wie ein heute Zwanzigjähriger keinen Gedanken an Langspielplatten mehr verschwendet, wird es irgendwann eine Generation geben, für die Bücher höchstens noch etwas für Museen und Archive ist. Es mag vielleicht etwas länger dauern als bei der LP, aber es wird kommen. Bis dahin können sich die Menschen gerne noch an dem Haptischen erfreuen. Mein Buch gibt es mittlerweile schließlich auch in der haptischen Variante.
Jetzt auch zum Hören!
Alle Themen aus meinem Blog und noch viel mehr gibt es ab sofort auch auf die Ohren im neuen Podcast "Die Zwei von der Talkstelle". Gemeinsam mit Tamara Leonhard gibt es alles rund um das Schreiben, Lesen, Leben und was uns sonst noch so einfällt.
Jetzt reinhören!
Mehr Lesestoff
Diese Artikel könnten dich interessieren
AutorInnen kämpft um eure Rechte!
Es war ein unscheinbarer , der es offenbarte. Autorinnen und Autoren werden gerne vergessen. Als Zielgruppe der Messe wurden dort Verlage, Buchhandel und LeserInnen genannt. Die Erschaffer der Produkt...
Zum ArtikelKann man für Lesungen noch Geld verlangen?
Es ist schwer, Gelegenheiten für Lesungen und Auftritte zu bekommen. Jeder Autor und jede Autorin, die sich darum bemüht, weiß, wie mühsam es ist, Veranstalter zu finden, die einem die Gelegenheit zum...
Zum ArtikelAmazon, Buchhandel - gibt es Gut und Böse?
Gestern bekam ich ein E-Mail von Amazon. Mein Buch »Tote Bosse singen nicht« sei in der Auswahl zum Kindle Deal und ich solle meine Bewerbung bestätigen. Nun muss man wissen, dass ich dieses Buch zu K...
Zum ArtikelWie offen will ich sein?
Gestern saß ich mit einem Zeitungsredakteur zusammen und wir unterhielten uns über meinen kommenden Buchstart. »Das ist ja fast wie ein zweites Outing«, stellte er plötzlich fest und ich sah ihn ersta...
Zum ArtikelWarum ich Facebook & Co. vermissen würde
Die Meldungen überschlagen sich. Eine Autorin nach der anderen meldet, dass sie ihre Facebookseite ausgeschaltet hat. Sie alle treibt die Angst um, nun verklagt zu werden, weil sie Facebook helfen, Da...
Zum Artikel
Gewohnheit
Für Papierbuchleser ist es schwierig, sich vorzustellen, dass das Lesen weiterhin Spaß machen kann, wenn man es mit Hilfe eines technischen Geräts tut. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es rasend schnell geht, sich daran zu gewöhnen. Das hätte ich selbst nicht gedacht. Aber die Vorteile sind einfach sehr schnell sehr überzeugend.
Ich kann meine gesamte Bibliothek mit in die U-Bahn nehmen und spontan entscheiden, was ich lesen will. Früher habe ich oft sehr schwere Rucksäcke voll mit Büchern mit mir herumgeschleppt, für den Fall, dass ich dieses oder jenes unterwegs lesen wollen würde. Mein Kindle ist da viel rückenschonender.
Also, der, der anfängt E-Books auf einem Reader zu lesen, wird sofort aufhören von dem Haptik-Quatsch zu reden. Man muss es aber eben erstmal ausprobieren und nicht von vornherein in der Verweigerungshaltung verharren.
Gewohnheit
Für Papierbuchleser ist es schwierig, sich vorzustellen, dass das Lesen weiterhin Spaß machen kann, wenn man es mit Hilfe eines technischen Geräts tut. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es rasend schnell geht, sich daran zu gewöhnen. Das hätte ich selbst nicht gedacht. Aber die Vorteile sind einfach sehr schnell sehr überzeugend.
Ich kann meine gesamte Bibliothek mit in die U-Bahn nehmen und spontan entscheiden, was ich lesen will. Früher habe ich oft sehr schwere Rucksäcke voll mit Büchern mit mir herumgeschleppt, für den Fall, dass ich dieses oder jenes unterwegs lesen wollen würde. Mein Kindle ist da viel rückenschonender.
Also, der, der anfängt E-Books auf einem Reader zu lesen, wird sofort aufhören von dem Haptik-Quatsch zu reden. Man muss es aber eben erstmal ausprobieren und nicht von vornherein in der Verweigerungshaltung verharren.