Schreiben Figuren 4 Kommentare
Gerade läuft eine Leserunde zu »Tote Models nerven nur«. Dies ist eine gute Gelegenheit zu sehen, wie die Leser meine Geschichte und die Figuren erleben. Wenn ich die Kommentare der Teilnehmer zu den einzelnen Abschnitten lese und erkennen kann, dass sie die Figuren und deren Handeln genauso sehen, wie es meine Idee beim Schreiben war, dann macht mein Herz Purzelbäume. Denn beim Schreiben ist es für mich die größte Herausforderung, die tieferen Beweggründe und die Intentionen der Personen sichtbar zu machen.
Wir handeln aus unserem Gefühl
Die wenigsten Dinge, die wir tun, überlegen wir vorher ausgiebigst. Wir handeln aus unserem Gefühl heraus. Dadurch ist unser Tun individuell und geprägt von den eigenen Erfahrungen. Eine Figur in einem Roman hat ebenso Erfahrungen, die sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie ist. Als Autorin muss ich diese Wurzeln ihres Handelns kennen und mir bei jedem Wort, das ich schreibe, bewusst machen. Doch im Gegensatz zum normalen Leben gibt es beim Schreiben eine zusätzliche Herausforderung. Die Leser meiner Geschichte müssen die Handlungen der Figuren nachvollziehen können.
Im Leben kann ich tun, was ich will
Wenn ich im Leben etwas tue, dann überlege ich nur selten, wie dies von anderen Leuten empfunden werden könnte. Erst recht mache ich mir keine Gedanken, ob sie mein Handeln nachvollziehen können. Den größten Teil des Tages mache ich einfach, was ich will. In einem Roman ist dies nicht so einfach, denn ich möchte, dass die Leserin und der Leser der Geschichte weiter folgen. Dies machen sie nur, wenn sie die Handlungen der Personen in irgendeiner Weise nachvollziehen können. Sie müssen sie nicht gut finden. Sie können sie sogar hassen. Aber sie müssen das Gefühl haben, dass dies für diese Person in diesem Moment eine passende Handlung ist.
Ich kann keine Smileys malen
Im E-Mailverkehr haben wir uns Symbole ausgedacht, um die Emotionen, die hinter den Sätzen liegen, auszudrücken. In einem Roman geht dies nicht, auch wenn ich in letzter Zeit immer wieder Versuche von Autorinnen und Autoren sehe, die Emotionen der Figuren durch Satzzeichen oder besondere Schreibweisen deutlich zu machen. Ich hasse das. Man kann die Problematik mit der eines Schauspielers vergleichen. Ein Schauspieler hat die Aufgabe, auf die Bühne zu gehen und uns den Zuschauern die Handlungen einer völlig fremden Person so zu zeigen, dass wir in diesem Moment nur diese Person sehen und ihrem Handeln folgen. Er kann keine Ausrufezeichen andeuten und es werden auch keine traurigen Smileys eingeblendet, wenn die Person traurig ist. Wir spüren die Emotionen und Beweggründe einzig und alleine aus den Handlungen und Worten.
Es gibt Hilfsmittel
Dennoch gibt es Mittel, die Intention der Figuren deutlicher zu machen. Auf der Bühne ist dies vielleicht die Maske oder die Kleidung. Im Roman können dies ebenso körperliche Aspekte sein, wie der Mörder, der ein Bein nachzieht, oder dem Gauner, dem ein Finger fehlt. Aber auch kleine Macken können die Persönlichkeit einer Figur unterstreichen. Aber wie bei einer Maske darf man es nicht übertreiben, da es sonst schnell zu einer Karikatur wird. Es muss aber keine Macke sein. Auch als normal empfundene Dinge können Ausdruck von Beweggründen sein. In »Tote Models nerven nur« hat beispielsweise die Latte macchiato im Becher, die Biene so gerne trinkt, eine besondere Bedeutung. Denn sie ist für Biene ein Sinnbild für die große weite Welt, in die sie so gerne möchte. Es sind viele Kleinigkeiten, die letztlich die Figur zu dem machen, was sie ist. Als Autorin muss ich in dem Moment, wenn ich eine Figur handeln lasse, in dieser Rolle sein. Ich muss auf der Bühne in meinem Kopf stehen und dem Publikum vor meinem inneren Auge die Figur glaubhaft darstellen. Wenn ich beim Schreiben in der Rolle der Figur bin, dann bekommen jede kleine Geste, jedes Zucken, jedes noch so unscheinbare Wort eine Bedeutung und ziehen den Betrachter in die Gefühlswelt der Figur. Nur so kann er wirklich miterleben, mitfiebern und mitleiden. Und das ist es, was ich mir als Erzählerin wünsche. Für einen kurzen Moment sollen die Leserinnen und Leser statt meiner in die Rolle der Figur schlüpfen und das Leben mit ihren Augen sehen. Wenn mir dies gelingt, ist mein Glück perfekt.
Wenn also bei der Leserunde Teilnehmer schreiben, dass das Ende der Geschichte vielleicht nicht ihr Wunschende ist, sie aber verstehen, warum Biene Hagen so handelt, dann weiß ich, es ist mir gelungen, Bienes Beweggründe darzustellen und ich bin glücklich.
Tote singen selten schief
Der neue Fall für Biene Hagen
Du möchtest singen und dann ist die Chorvorsitzende tot. Da bleibt nur eines zu tun: Mörder jagen!
Ein heiterer Krimi für alle, die Cosy Crime mögen.
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Intentionen der Figuren
Hallo!
Danke für den Artikel, sowas kann man gar nicht oft genug lesen, um es sich immer wieder bewusst zu machen. Ich glaube, es war Sol Stein, der es als "Drehbuch für jede einzelne Figur" beschrieb, und das muss man sich immer wieder vor Augen halten. Jede Person des Romans oder der Geschichte handelt aus ihrem eigenen Charakter heraus, ihren eigenen Interessen folgend und resultierend aus ihrer eigenen Vergangenheit. Genau deshalb ist es so wichtig, die Vergangenheit aller handelnden Personen genau zu kennen.
Viele Grüße
Julia
Intentionen der Figuren
Hallo Julia,
ja, ich meine es auch bei Sol Stein so gelesen zu haben. Ich bin oft überrascht, wie sich die Dinge und Handlungen von ganz alleine ergeben, wenn man nur tief genug in die Figur und deren Leben eingetaucht ist.
Herzlichen Gruß,
Vera
Herausforderung beim Schreiben
Hallo Vera,
zu den Figuren in deinem Buch 'Tote Models nerven nur' kann ich nichts sagen, da (noch) nicht gelesen. Doch da mich diese Thematik interessiert, schreibe ich dir dazu meine Meinung .
Die Figuren eines Romans so zu beschreiben, dass sie den Leser überzeugen, das unterscheidet eben lesenswerte Literatur von denen, die man/frau bald nach wenigen Seiten gelangweilt beiseite legt. Es erfordert von dem/der SchriftstellerIn ein hohes Maß an Menschenkenntnis und zugleich Verständnis für menschliche Schwächen, 'Macken' bis hin zu Verhaltensstörungen.
Ohne dass ich das von dir hier erwähnte Buch kenne bin ich aber nach dem Folgen deines Blogs sehr überzeugt, dass du diese Schreibkunst beherrschst.
Ob wir - als Leser - immer fähig sind in die Rollen deiner 'Figuren' zu schlüpfen, das wäre eher ein Wunder - dann hätten wir ja deine Fähigkeiten. Es genügt sich, oder andere Menschen darin wiederzuerkennen die einem im Laufe des Lebens begegnet sind - und dann endlich die Worte dazu zu finden, die wir selber nicht fanden.
Nichts ist schlimmer für eine Lesefreude, als konstruierte Geschichten und Figuren, mal abseits vom Genre Mystery, SF oder Horror.
Ein Wunschende einer Geschichte wäre ja langweilig - das wird wohl auch kein/e AutorIn
hinbekommen und kann wohl kaum ein Ziel für den Schreibenden sein.
Ich hoffe dein Wohlbefinden steigt mit meinem allgemeinen Beitrag zu deinen Intentionen.
Liebe Grüße
Roland
Herausforderung beim Schreiben
Hallo Roland,
oh ja, mein Wohlbefinden ist sehr gestiegen. Schon alleine durch die Vorschußlorbeeren, die du mir gibst, obwohl du mein Buch (noch) nicht gelesen hast. Danke dir.
Ich hoffe, es wird deine Erwartungen nicht enttäuschen.
Herzlichen Gruß,
Vera