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Es ist wieder Sonntag und natürlich kommt das nächste Stückchen von mir. Ich hoffe, du hast die bisherigen Stückchen bereits begierig gelesen und kannst es nun kaum erwarten, zu erfahren, wie es weitergeht. Ich will dich nicht lange auf die Folter spannen und wünsche dir viel Vergnügen mit Stückchen Nr. 5.
Zum vorherigen SonntagsstückchenMein Mund musste offengestanden haben, denn der Mafiaboss lachte. »Sie haben es uns nicht leicht gemacht. Sie haben in Ihren Geschichten alles ganz schön verändert. Künstlerische Freiheit, nicht wahr?« Er lachte auf. »Aber schließlich haben Vaters Leute diesen Ort gefunden. Ist das nicht hervorragend?«
Mir war nicht klar, wie ich reagieren sollte. Plan A, ich lache ebenfalls laut auf, klopfe ihm jovial auf die Schulter und sage »Sascha, da habe ich euch aber mächtig verarscht. Ich habe doch alles nur erfunden. Ihr könnt mich mal.« Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass die Familie dies nicht so auf die leichte Schulter nehmen würde und unmittelbar nach Ausführung von Plan A, Dimitrij zur Tat schreiten würde, um mein erbärmliches Leben abrupt zu beenden. Dann schon lieber Plan B. Ich spiele diese Posse mit und warte auf meine Chance, hier irgendwie rauszukommen. Plan B erschien mir im Moment auf jeden Fall ratsamer und so setzte ich ihn sogleich in die Tat um.
»Das ist wirklich beeindruckend«, säuselte ich daher meinem Entführer zu und zauberte ihm einen zufriedenen Gesichtsausdruck auf das skrupellose Gesicht.
»Hier wird Vanessa ihren Paul heiraten. Genauso, wie Adriana ihren Lord geheiratet hat. Nur das Paul dummerweise kein Lord ist. Aber, was mein Schwesterchen möchte…«
»…das bekommt es auch«, beendete ich den Satz und erschrak über meine eigenen Worte. Sascha lachte laut auf. »Genau. Hat Ihnen das mein Vater bereits deutlich gemacht?« Er winkte Dimitrij heran. »Zeig der Dame ihr Zimmer.« Dimitrij nickte und gab mir das Signal, ihm zu folgen.
»Ach, Frau Madison, verzeihen Sie, dass Dimitrij ihr Zimmer verriegeln wird. Wir möchten nicht, dass Sie sich auf dem Gelände verirren. Wir holen Sie dann zum Abendessen ab. Sie haben genügend Gelegenheit, sich zu entspannen und zum Abendessen umzuziehen.«
Ich wollte protestieren, aber dann dachte ich an Plan B und folgte stattdessen Dimitrij. Auch fragte ich mich, wie ich mich wohl umziehen sollte, wenn ich doch gar keine Sachen mithatte, doch ich hatte eine Ahnung.
Die Ahnung bestätigte sich. Das Zimmer war nicht nur außerordentlich geräumig und geschmackvoll eingerichtet. Der begehbare Kleiderschrank war auch umfassend bestückt und ich musste mir innerlich eingestehen, dass ich normalerweise jubeln würde beim Anblick dieser tollen Kleider, wenn die Umstände anders gewesen wären. Waren sie aber nicht. Also rannte ich durch die Räume meines Gefängnisses und rüttelte an Türen und Fenster. Nur, um festzustellen, dass alle fest verschlossen waren. Ein altmodisches Telefon stand neben dem Bett. Der weiße, geschwungene Hörer lag auf einer goldenen Gabel und ich suchte vergebens eine Tatstatur oder zumindest eine Wählscheibe. Ich nahm vorsichtig den Hörer ab und horchte, ob es ein Amt gab. Stattdessen erklang nach kurzer Zeit die Stimme eines Mannes. »Guten Tag, Madame. Was kann ich für Sie tun?« Erschrocken ließ ich den Hörer wieder auf die Gabel fallen. Es gab kein Entkommen. Zumindest jetzt noch nicht. Diese Erkenntnis drückte mich auf das riesige Bett. Ich vergrub mein Gesicht in meine Hände und weinte. Ich war von einem skrupellosen Mafiaboss in meine eigene Fantasiewelt entführt worden. Mein Leben würde womöglich auf einem Schloss sein Ende finden, das ich selbst erfunden hatte. Es war tragisch. Und irgendwie auch komisch. Zumindest war es skurril. Eigentlich sogar der passende Abgang für mein überaus skurriles Leben. Allerdings noch mindestens fünfzig Jahre zu früh. Der Gedanke versetzte mir einen Stich und ich schluchzte auf. Ich hatte doch noch so viel vor. Ich stockte in meinem Heulanfall. Was hatte ich eigentlich vor? Das Thema Mann und Kinderchen hatte ich längst ad acta gelegt. Mich würde nie ein Mann lieben. Dazu war ich einfach zu merkwürdig. Ich konnte mir mich als Ehefrau oder gar als Mutter überhaupt nicht vorstellen. Ich hatte jahrelang versucht, mir eine solche Zukunft für mich vorzustellen. Und obwohl ich in der Lage war, komplexe Fantasiewelten für meine Leserinnen zu erschaffen, diese Zukunft konnte ich für mich nicht ausmalen. Sie war einfach zu absurd, denn selbst die fantasievollsten Geschichten benötigten eine realistische Basis. Dass ich noch einen Mann finden würde, der mit mir Leben wollte, war dagegen absolut unrealistisch. Das hatten alle bisherigen Erfahrungen gezeigt. Bei mir hatte es schließlich nur zu einer Ehe mit Georg gereicht und das war schließlich nur proforma. Schließlich hatten mir meine Eltern auch immer klar gemacht, dass ich nicht passend war. Doch wenn Mann und Kinderchen nicht als Lebensziele infrage kamen, was dann? Der Gedanke beschäftigte mich so sehr, dass ich das Weinen völlig vergaß.
Ich weiß nicht, wie lange ich über meine hoffnungslose Zukunft sinniert hatte, als das Telefon klingelte. Ich zuckte zusammen und hob vorsichtig den Hörer ab. »Ja?«
»Entschuldigen Sie, Madame. Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass das Abendessen in einer Stunde serviert wird. Ich soll Ihnen ausrichten, das angemessene Garderobe gewünscht wird.«
Ich starrte in den Hörer. Dann klackte es und die Leitung war tot. Ich legte den Hörer zurück und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Die erwarteten tatsächlich, dass ich mich irgendwie nett anzog und strahlend zum Abendessen erschien. Das war irre. Doch wenn ich je herausbekommen wollte, was ich in meinem Leben noch erreichen wollte, dann blieb mir wohl nichts anderes übrig. Ich erhob mich ächzend vom Bett, rieb mir die verheulten Augen, atmete tief ein und ging in den Kleiderschrank. Wann hatte ich zuletzt ein Kleid getragen? Kleider waren etwas für schlanke, schöne Frauen. Für mich waren eher Hänger und weite Shirts geeignet. Doch gab es davon nichts in diesem Sortiment. Ich entschied mich letztlich für ein Kleid, das nicht all zu eng aussah und legte es auf das Bett. Dann ging ich in das Bad, das größer zu sein schien als meine ganze Wohnung. Natürlich war auch das Bad mit allen ausgestattet, was ich benötigte. Ich fragte mich, woher sie wohl meine bevorzugten Marken kannten. Die Antwort wollte ich mir nicht vorstellen.
Als ich mich frisch gemacht und das Kleid übergezogen hatte, sah ich mich im Spiegel und erstarrte. Verdammt, dieses Kleid stand mir. Okay, es war etwas sehr verspielt. Überhaupt nicht der eher schlichte Stil, den ich sonst so pflegte. Nur passten meine lose herunter hängenden Haare irgendwie nicht zu Abigail und ich entschloss mich, sie hochzustecken. Wann hatte ich das zuletzt gemacht. Mit Vierzehn? Irgendwie kriegte ich es aber hin und der erneute Blick in den Spiegel zeigte, dass es mir ganz gut gelungen war.
Komplettiert mit den passenden Schuhen, Strümpfen und sogar einer farblich abgestimmten Handtasche bestückt stand ich bereit und wartete darauf, dass die Gefängnistür geöffnet wurde. Ich war tatsächlich voller Vorfreude, als es zaghaft klopfte und eine Männerstimme fragte, ob ich soweit wäre. Mich hätte nicht überrascht, wenn der smarte Lord Huddleston aus meinem Roman vor der Tür stünde und mich mit seinen braunen Augen in Empfang nehmen würde.
Zum nächsten Sonntagsstückchen
Das Buch zum Sonntagsstückchen
Du glaubst nicht an die Liebe? Dann rechne mit Überraschungen!
»Rote Rosen für den Lord« »Ein Schloss für Violetta« – so heißen die Liebesromane, die die Autorin Abigail Madison ihrer schmachtenden Fangemeinde präsentiert. Eine begeisterte Leserin will ihre Lieblingsautorin – sozusagen die Expertin für die Liebe – zu ihrer Hochzeit einladen. Doch das geht nicht, denn Abigail Madison gibt es gar nicht.
In Wahrheit produziert die mehr als abgeklärte Amanda Schneider die Schmonzetten unter Pseudonym, denn sie möchte ihre wahre Identität nicht preisgeben. Nur hat Amanda Schneider nicht mit dem Vater der Braut gerechnet, der seiner Tochter keinen Wunsch abschlagen kann. So sieht sich Amanda plötzlich gefesselt in einer Villa einem russischen Bodyguard gegenüber. Die Auseinandersetzungen mit dem verdammt gutaussehenden Bruder der Braut gestalten sich mehr als hitzig, bis sogar die wenig romantisch veranlagte Amanda einsehen muss: Die wahre Liebe gibt es doch.
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