Schreiben Leben 9 Kommentare
Als ich letztens meine Leserinnen und Leser fragte, zu welchen Themen sie gerne etwas auf Veras Welt lesen wollten, (siehe "Ich mach mich nackisch") kam mehrfach der Wunsch, ich möge doch über meine Schreibrituale etwas sagen. Ich kenne die Frage nach Ritualen schon aus vielen Autoreninterviews. Viele Ratgeber geben auch den Tipp, sich ein Ritual zu schaffen. Aber mir bereitet dies Probleme. Ich tue mich schwer damit.
Ein Ritual (von lateinisch ritualis ‚den Ritus betreffend‘, rituell) ist eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, meist formelle und oft feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt. Sie wird häufig von bestimmten Wortformeln und festgelegten Gesten begleitet und kann religiöser oder weltlicher Art sein (z. B. Gottesdienst, Begrüßung, Hochzeit, Begräbnis, Aufnahmefeier usw.).WikipediaLiest man die Definition zu Ritual auf Wikipedia, fällt einem direkt auf, dass ein Ritual etwas sehr Starres ist. Von Regeln ist dort die Rede und von hohem Symbolgehalt. Aber dies sind Begriffe, die für mich mit dem Schreiben nicht in Einklang zu bringen sind und die zu meinem Leben erst recht nicht passen.
Der Sinn eines Rituals
Ein Ritual hat den Sinn, durch festgelegte Handlungsweise einen gewissen Halt zu geben, die Konzentration auf das Wesentliche zu legen. Doch wie oft erlebt man, dass dadurch irgendwann das eigene Ziel in den Hintergrund gerät und das Ritual zum Selbstzweck wird. Man macht Dinge und weiß gar nicht, warum man dies tut. Man arbeitet die Regeln ab, ohne das eigentliche Ziel je zu erreichen. Ein Ritual empfinde ich als Korsett, weil es Vorgaben macht. Da ich ein sehr freiheitsliebender Mensch bin, engen mich derartige Korsetts ein.
Rituale muss man hinterfragen
Natürlich gibt es bei mir auch Dinge, die ich regelmäßig tue. Es gibt Umstände, unter denen ich am liebsten schreibe. Beispielsweise liebe ich es, am Wochenende in mein Lieblingsbistro zu gehen, mich an meinen Stammplatz zu setzen und dort zu schreiben. Doch es gibt Tage, an denen ich am Morgen aufwache, feststelle, dass ich spät dran bin und das Risiko besteht, dass mein Lieblingsbistro bereits gut gefüllt ist, bis ich dort bin, und mein Stammplatz besetzt sein könnte. Manchmal erwische mich dabei, dass ich dann beginne, mich zu beeilen. Ich gerate unter Druck, weil ich mein Ritual einhalten möchte.
Ich hasse Druck
Schreiben ist nicht mein Beruf, sondern mein Hobby und damit Teil meiner Freizeit. Ich hasse es generell, unter Druck gesetzt zu sein, aber besonders in meiner Freizeit. Dies ist auch der Grund, warum ich Rituale hasse, denn sie setzen mich irgendwann unter Druck. Wenn ich diesen Moment erreicht und vor allen Dingen auch erkannt habe, muss ich das Ritual aufbrechen. Das kann dann schon mal dazu führen, dass ich statt ins Büro nach Paris fahre. (siehe "Fünf Stunden bis Paris") Also werde ich an dem Morgen, an dem ich erst später aufgewacht bin, vielleicht an einem völlig neuen Ort schreiben. Es wird meinem Geist neue Impulse und der Geschichte, an der ich gerade arbeite, überraschende Wendungen geben. Am nächsten Wochenende fahre ich dann sicher wieder gerne und ganz freiwillig in mein Lieblingsbistro.
Ganz ohne Regeln geht es nicht
Doch es ist mir natürlich bewusst, dass es nie völlig ohne Regeln geht. Ich brauche die Regel, kontinuierlich zu schreiben, wenn ein neuer Roman fertig werden soll. Und ich muss mich auch so manchen Morgen zwingen, mich vor der Arbeit an den Computer zu setzen und meine 500 Wörter zu schreiben. Aber für mich darf es kein Ritual werden. Es muss stets mein Wunsch sein, dies zu tun. Es muss die Freude am Tun im Vordergrund stehen. Es ist wie beim Vorhaben, regelmäßig zu joggen. Ich brauche immer die Vorstellung von dem guten Gefühl, dass ich nach Absolvierung der Strecke habe. Würde jemand verlangen, dass ich jogge, würde ich keinen Schritt tun. Selbst wenn ich dies selbst von mir verlangte. In mir steckt eben doch eine kleine Revoluzzerin.
Wie hältst du es mit Ritualen? Hast du welche oder rebellierst du auch manchmal dagegen?
Jetzt auch zum Hören!
Alle Themen aus meinem Blog und noch viel mehr gibt es ab sofort auch auf die Ohren im neuen Podcast "Die Zwei von der Talkstelle". Gemeinsam mit Tamara Leonhard gibt es alles rund um das Schreiben, Lesen, Leben und was uns sonst noch so einfällt.
Jetzt reinhören!
Mehr Lesestoff
Diese Artikel könnten dich interessieren
Innocent-Award – ich bin nominiert!
Als das E-Mail kam, habe ich es zuerst für eines der üblichen SPAM-Nachrichten gehalten. Aber nach einem zweiten Blick stellte es sich als wahr heraus. Mein Buch ‚Frau Appeldorn und der tote...
Zum ArtikelOhne Verlage sind wir nichts wert
Im letzten Monat wurde der Deutsche Verlagspreis von unserer Kulturstaatsministerin Claudia Roth vergeben. Im Umfeld dieser Vergabe kam die Forderung der Verlage nach einer strukturellen Verlagsförder...
Zum ArtikelMein erstes Hörbuchprojekt mit Royalty Share
Vielleicht erinnerst du dich noch daran. Vor einigen Jahren hatte ich die Idee, ein Hörbuch zu „Tote Models nerven nur“ zu produzieren. Um die notwendigen Mittel dafür zusammenzube...
Zum ArtikelDas neue Buch will gefeiert werden
Es ist wieder so weit. Mein neues Buch steht in den Startlöchern. Es ist das neue Abenteuer meiner Detektivin Sabine ‚Biene‘ Hagen aus Grefrath am Niederrhein. Ab 23. Juli wird es überall erhältlich s...
Zum ArtikelWie finde ich den richtigen Buchtitel?
Es sollte ein schöner Moment sein. Der neue Krimi ist im Lektorat. Die Veröffentlichung kommt näher. Doch es gibt etwas, das mir die Freude gründlich verhagelt. Ich muss den passenden Titel für mein n...
Zum Artikel
Rituale
Hallo,
interessanter und nachdenkenswerter Artikel! Rituale beim Schreiben und Bloggen - da hätte ich nicht gleich an die Umgebung gedacht. Rituale gehören für mcih eher zur Vorbereitung. Beim Meditieren: Verbeugung, Klangschale drei mal zum Klingen bringen: Und schon bin ich ganz im Meditationsmodus. Das hilft sehr. auch Routinen helfen im täglichen Leben. Man mag sie als Rituale bezeichnen. Für mich gehört zum Bloggen dazu, dass ich mir einen Kaffeee koche, meine Recherche-Unterlagen bereit sind
Und ein kleines MOrgenritual, wenn ich mich an den Computer setze: Erstmal in die Statistiken gucken, nach Kommentaren gucken und beantworten. Kurz die Nachrichten überfliegen, sehen, was sich auf Facebook, und Twitter getan hat. Dann bin ich bereit, um einen Artikel zu schreiben. Da ich das ja nicht wirklich hauptberuflich mache, muss ich mich auch nicht an 5000 Worte pro Tag halten. Aber ich habe den Ehrgeiz, mindesten 4 Artikel pro Woche auf meinem Blog zu veröffentlichen. so hat jeder seine eigenen Methoden, um in Gang zu kommen.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!
Ulrike
Rituale
Hallo Ulrike,
ja, so eingelaufene Abläufe habe ich schon auch. Morgens die Latte macchiato machen gehört sicher dazu. Vier Artikel in der Woche nenne ich aber schon eine ganz schöne Herausforderung. Ich bin froh, wenn ich einen schaffe und meine 500 Wörter täglich für den Roman.
Herzlichen Gruß,
Vera
eigene Rituale
Wenn man Rituale nach ihrer Definition betrachtet, dann habe ich wohl auch nicht wirklich welche. Sie klingen wirklich sehr starr, was für mich schon gar nicht mit kreativität zusammenpasst.
Ich habe gerademal eine bestimmte Musikplaylist, die beim Schreiben im Hintergrund läuft. Ansonsten sucht man bei mir vergebens nach Ritualen :)
LG
Musik
Hallo Alanna,
Musik hören beim Schreiben kann ich nicht. Wenn ich Zuhause bin, brauche ich Ruhe. Im Café stören mich die Umgebungsgeräusche komischerweise nicht. Wahrscheinlich weil es eher ein undefiniertes Rauschen ist.
Herzlichen Gruß,
Vera
Musik
Ich war schon immer irgendwie Musikgepolt. Selbst meine Hausaufgaben oder Lernen für Prüfungen ging mir leichter von der Hand, wenn im Hintergrund leise Musik lief.
Ich habe mich auch schon einmal zum Schreiben in ein Cafe gesetzt und ich finde dieses "Umgebungsrauschen" auch sehr angenehm :)
wozu Rituale?
Also ich bin auch schon mehrfach über Artikel gestolpert, in denen es um alltägliche Rituale ging. Dabei wurde immer sehr positiv über die Rituale geschrieben. Es ging darum, wie wichtig es sei diese Rituale zu beachten, oder darum dass die Rituale auch im Urlaub weiter eingehalten werden etc.
Ich habe mich immer wieder gewundert, was das eigentlich mit den Ritualen soll. Ist das irgendwie ein neuer Lifestyle Trend oder sowas?
Dein Artikel ist der erste, den ich zu dem Thema lese der auch etwas kritisch ist.
Ich selbst sehe nicht wirklich etwas nützliches in Ritualen.
wozu Rituale?
Hallo Mikael,
ein paar Rituale haben wir sicher alle. Morgens Zähne putzen z.B. Bei solchen Dingen helfen sie sicher. Aber eben nicht immer.
Herzlichen Gruß,
Vera
Rituale sind wichtig
Ich denke Rituale versetzen einen bzw. erinnern einen an einen bestimmten Bewusstseienszustand. Bei mir ist es so, wenn ich für die Uni lernen muss, dann praktiziere ich ein bestimmtes Ritual um in diese Lernphase reinzukommen und dann zählt nur das Lernen für mich. Ich habe verschiedene Rituale auch z.B. beim Sport, da rufe ich mir z.B. immer in Gedanken ganz laut "du schaffst das" zu und schon habe ich mehr Leistung. Ich denke jeder hat seine Rituale und das ist ganz wichtig. Liebe Grüße Fabienne
Rituale sind wichtig
Hallo Fabienne,
nachdem ich deinen Kommentar gelesen habe, überlege ich die ganze Zeit, welche Rituale ich wohl habe. Mir ist eingefallen, dass meine Morgende fast immer gleich ablaufen. Aufstehen, Toilette, Latte macchiato. Das ist gewiss ein Ritual, über das ich auch nicht mehr groß nachdenke. Aber bei den Aufgaben, die ich so angehen muss, sei es im Beruf oder beim Schreiben, da konnte ich nie Rituale etablieren. Da benötige ich die Freiheit, um wirklich kreativ sein zu können. Rituale wären da für mich kontraproduktiv. Ist wahrscheinlich eine individuelle Charakterfrage.
Herzlichen Gruß,
Vera