Leben 0 Kommentare
Wenn es nach den E-Mails geht, die ich regelmäßig bekomme, müsste ich schon ein riesiges Vermögen wahlweise gewonnen oder geerbt haben. Mails mit auffälligen Nachrichten öffne ich daher mit gewisser Skepsis. Eine Nachricht vom ORF Wien fiel für mich zuerst in diese Kategorie. „Können Sie sich vorstellen, nach Wien in unsere Talk-Show zu kommen?“, stand dort. Angegeben war eine Telefonnummer in Österreich. War dies eine Falle oder sollte ich es wagen, anzurufen?
Natürlich siegte die Neugier und ich wählte die Nummer. Es meldete sich eine Redakteurin der Barbara-Karlich-Show. Der Name sagte mir gar nichts. Den ORF kann ich nicht empfangen. Als mir die Redakteurin erzählte, dass es sich um eine nachmittägliche Talk-Show handeln würde, zuckte ich innerlich zusammen. Bei dieser Art Sendung denke ich an Krawall- und Schreisendungen aus den späten Neunzigern. Das wäre sicherlich nichts für mich. Ich erläuterte der Redakteurin meine Befürchtungen. Sie versicherte mir, dass es sich bei der Barbara-Karlich-Show um ein seriöses Format handeln würde. Wir vereinbarten, dass ich es mir überlegen würde.
Was macht frau bevor es in die Talkshow geht?
Natürlich, sie geht zum Friseur. Meiner heißt Frank Hermanns und kümmert sich bereits seit 20 Jahren um meine Haare.
Das Ankommen in Wien war etwas holprig, da der angekündigte Abholservice nicht vor Ort war. Aber diese Hürde habe ich schnell genommen und so ging es ins Hotel. Kurz umziehen und dann gleich weiter zum Sendezentrum des ORF. Als der Taxifahrer fragte, ob ich dort arbeiten würde und ich antwortete „Nein, ich bin als Gast in eine Talkshow eingeladen“, kam ich mir wie ein Star vor. Der Empfang beim ORF war zwar freundlich, hatte aber so gar nichts von Starglanz. Stattdessen ging es durch den Hinterhof und das Gängelabyrinth des Gebäudes, das den Charme der Siebzigerjahre an allen Ecken ausstrahlt.
Im Produktionsbereich angekommen, wurde ich in einen Gästeraum geführt, wo ich neben der Gästebetreuerin Barbara auch einige weitere Gäste kennenlernte. Die Situation, dort nun darauf zu warten, bei einer Talkshow mitzumachen, schuf direkt eine innige Verbindung und so entwickelten sich in kürzester Zeit spannende Gespräche. Vor meiner Sendung wurde eine zum Thema „Moderne Landwirtschaft“ gedreht und ich saß neben einer jungen Landwirtin, die bereits im Alter von 24 Jahren den Hof der Familie übernommen hatte. Ich habe zwar nie »Bauer sucht Frau« gesehen, aber diese junge Frau und ihr Mann entsprachen überhaupt nicht diesem Klischee.
Das Thema der Sendung, an der ich teilnehmen sollte, war mir als „Vergeben, aber nicht vergessen“ mitgeteilt worden. Ich überlegte kurz, welchen Bezug dieses Thema wohl mit mir haben könnte. Mir fiel aber nichts ein. Sicherheitshalber fragte ich nach, ob ich mit irgendwelchen Überraschungsgästen rechnen musste, die mir vergeben wollten oder dies von mir erwarten würden. Als dies verneint wurde, war ich beruhigt.
Auslöser für den Sender, mich einzuladen, war meine Geschichte um den männlichen Migrationshintergrund. Bevor ich zusagte, habe ich darüber nachgedacht, ob ich es wirklich möchte, dass dieses Thema so in den Vordergrund gestellt wird. Ich habe dies immer als einen selbstverständlichen Teil meines Lebens gesehen und nicht als das wesentliche Merkmal, das mich ausmacht. Im Vorgespräch einigte ich mich mit der Redakteurin, dass ich mein Autorinnendasein und mein Kabarettprogramm prominent thematisieren dürfte. Allerdings war mir immer bewusst, dass meine Lebensgeschichte ist, die letztlich der Auslöser für die Einladung war.
Gute Stimmung vor der Sendung
Bereits vor der Sendung hatten wir viel Spaß.
v.L. Schirin Bogner, Franziska Krafft, Gästebetreuerin Barbara und ich.
Bei sechs Teilnehmern ergibt sich eine Redezeit von sechs bis sieben Minuten pro Gast. Wir waren aber aufgefordert, uns durchaus in die Gespräche mit den anderen Gästen einzumischen, wenn wir Fragen hätten. Ich sollte an dritter Stelle meinen Auftritt haben. Auf keinen Fall durften wir zur Begrüßung „Guten Abend“ sagen, weil die Sendung nachmittags um 16 Uhr ausgestrahlt wird, es bei der Aufzeichnung aber schon 21 Uhr war.
Endlich kam die Regieanweisung, dass ich durch die Tür gehen sollte, wie wir es zuvor geprobt hatten. Direkt hinter der Tür ist eine Stufe, die es etwas schwierig macht, dynamisch aufzutreten. Ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht Kalkül ist. Mir gelang es unfallfrei, diese Hürde zu nehmen, und ich hoffe, ich sehe dabei auch noch einigermaßen dynamisch aus. Ich begrüßte die Zuschauer mit „Hallo zusammen!“ und war erschrocken, als Barbara Karlich danach sofort unterbrach, weil ich angeblich „Guten Abend“ gesagt hätte. Die Regie klärte das auf und so ging es mit der ersten Frage an mich weiter. „Wie war dein Leben?“, fragte mich die Moderatorin. Ich muss gestehen, die Frage irritierte mich, denn wie soll man auf diese Frage antworten? Ich hätte sagen können „Gut“, aber damit wäre der Sendung wohl nicht gedient gewesen. Also löste ich mich von der Frage und begann zu erzählen. Einmal in Schwung machte es mir mehr und mehr Spaß, zumal ich spüren konnte, wie das Publikum auf mich reagierte. Die Moderatorin hatte kaum eine Chance, mir noch eine Frage zu stellen. Meine Redezeit verging wie im Flug und der Versuch von Barbara Karlich, zum nächsten Gast überzuleiten, kam fast etwas überraschend. Ich denke, ich habe etwas überzogen. Mir ist es gelungen, diverse Pointen aus meinem Kabarettprogramm unterzubringen. Allerdings habe ich es versäumt, den Titel meines Buches zu erwähnen. Nachher sagte mir die Redakteurin, dass die Aufzeichnung viel zu lang geworden ist. Ich hoffe natürlich, dass mein Part nun nicht nachträglich beschnitten wird. Barbara Karlich kam nach der Sendung zu uns und bedankte sich. Sie sagte mir, dass ihr mein Auftritt sehr gefallen hätte. Ich nehme einfach mal an, dass es stimmt.
Barbara Karlich und ich
Ich muss mir unbedingt ein Beispiel an Barbara Karlich nehmen und an meiner professionellen Fotoposition arbeiten.
Es war ein aufregender Tag in Wien mit faszinierenden Menschen. Selbst wenn mein Auftritt nie gezeigt würde, kann ich bereichernde Kontakte mit nach Hause nehmen.
Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich bereits wieder am Flughafen Wien und warte auf meinen Rückflug. Der voraussichtliche Ausstrahlungstermin für die Sendung ist der 6. Julil 2020. Falls man das ORF nicht empfangen kann, ist die Sendung auch über das Internet in der TVThek des ORF zu sehen. Ich bin gespannt, ob es nach der Ausstrahlung Reaktionen geben wird.
Jetzt auch zum Hören!
Alle Themen aus meinem Blog und noch viel mehr gibt es ab sofort auch auf die Ohren im neuen Podcast "Die Zwei von der Talkstelle". Gemeinsam mit Tamara Leonhard gibt es alles rund um das Schreiben, Lesen, Leben und was uns sonst noch so einfällt.
Jetzt reinhören!
Mehr Lesestoff
Diese Artikel könnten dich interessieren
Wie schlimm war 2022 wirklich?
Krisen und Horrorszenarien bestimmen die Nachrichten schon das ganze Jahr und davor war es auch nicht besser. Der fast völlige Stillstand im Kulturleben und die nur noch begrenzten Möglichkeiten des s...
Zum ArtikelMörderische Schwestern - Regio-Schwester on Tour
Seit einem Jahr bin ich die Regio-Schwester für die Regio West der Mörderischen Schwestern. Diese Regio umfasst ganz NRW und ist mit etwa 140 Mitgliedern die größte Regio des Vereins. Die Mörderischen...
Zum ArtikelDas eigene Buch wird in der Schule besprochen
Die Autoren der Bücher, die in meiner Schulzeit im Unterricht behandelt wurden, waren ausnahmslos bereits verstorben. Es waren eben die Klassiker, die ganze Generationen von Schülerinnen und Schüler b...
Zum ArtikelGeld ist nicht das Problem der EU
90 Stunden haben die Regierungschefs und -cheffinnen der 27 EU-Staaten verhandelt und das größte Finanzpaket in der EU-Geschichte beschlossen. 1,8 Billionen Euro ist es groß. Eine Zahl, die jenseits m...
Zum ArtikelKomm mit auf eine Entdeckungsreise nach Europa!
„Warum willst du dich denn ausgerechnet mit der EU beschäftigen?“, fragte die beste Freundin von allen, als ich ihr von meinen Plänen berichtete. Zugegeben, ich hatte mir Begeisterung erhofft, aber ih...
Zum Artikel