Leben Social Media 5 Kommentare
Um als Autor und Autorin seine Leserschaft zu erreichen, muss man sich heutzutage im Web und den sozialen Medien zeigen. Die Leser möchten den Menschen hinter den Büchern kennenlernen. Es soll aber nicht ein geschöntes Bild sein, dass man da abgibt. Es soll echt sein. Authentizität ist gewünscht. Doch ist dies eine realistische Erwartung?
Was ist Authentizität?
Im Allgemeinen wird unter Authentizität einer Person und deren Darstellung verstanden, dass sich diese Person nicht verstellt, und ihre Präsentation nicht den Anforderungen oder eventuellen Zwängen der Umgebung anpasst, sondern sich so zeigt, wie sie es nach ihren eigenen Werten und Richtlinien immer tut. Wikipedia definiert die Authentizität von Personen wie folgt:
Angewendet auf Personen bedeutet Authentizität, dass das Handeln einer Person nicht durch äußere Einflüsse bestimmt wird, sondern in der Person selbst begründet liegt.Wikipedia
Gibt es Authentizität in den sozialen Medien?
Jeder Mensch, der Erlebnisse, Sprüche oder irgendetwas, was ihm in den Sinn kommt, bei Facebook & Co. der Allgemeinheit mitteilt, tut dies mit einer Erwartung. Im geringsten Fall ist es die Hoffnung, gesehen zu werden, vielleicht eine Resonanz auf das Mitgeteilte zu bekommen. Wenn ein Autor beginnt, sich in diesen Medien als solcher zu zeigen, dann schwingt in den meisten Fällen die Aussicht mit, dass er dadurch Leser erreichen und Menschen für seine Bücher begeistern kann. Diese Erwartung prägt jede Aktion und jedes Posting. Wenn wir die o.g. Definition von Authentizität zugrunde legen, dass das Handeln in der Person selbst begründet liegt, so kann man dies bereits als Widerspruch ansehen.
Nimmt man dann Autorinnen und Autoren, die unter normalen Umständen niemals auf den Plattformen vertreten wären, weil sie es nicht interessiert oder weil sie gar gewisse Ressentiments dagegen haben, ist der Auftritt nicht mehr authentisch im engeren Sinne.
Die Betrachter entscheiden
Aber bei der Darstellung nach Außen kommt es gar nicht darauf an, wirklich echt zu sein. Entscheidend ist, dass die Betrachter die Darstellung als echt und authentisch empfinden. Dies führt zu dem recht absurden Umstand, dass derjenige, der besonders gut Schauspielern kann, am authentischsten empfunden wird.
Denn wir neigen dazu, das Verhalten anderer Menschen nach den eigenen Vorstellungen zu bewerten. Jemand der anders ist, der Ecken und Kanten hat, wird sehr schnell als nicht authentisch angesehen, obwohl er es viel mehr ist. Diese Erfahrung habe ich auch schon bei der Bewertung der Handlungen von Romanfiguren gemacht. Ich habe Figuren nach realen Vorbildern handeln lassen und ausgerechnet dieses Handeln wurde von Lesern als nicht authentisch empfunden. Bei der Bewertung der Außendarstellung anderer wird genau so nach eigenen Maßstäben geurteilt. Hat man dies erlebt, wird man sich beim nächsten Mal hüten, seine Besonderheiten herauszuheben. Alle beginnen, sich anzugleichen.
Ein Chamäleon im Spiegelkabinett
Es liegt im Menschen, sich nach der Umwelt zu richten. Authentisch sein heißt aber, man selbst sein. Aber das ist gar nicht so leicht. Die Zeit vergleicht diese Herausforderung mit einem Chamäleon in einem Spiegelkabinett. Wir wird diese Echse, die es gewohnt ist, sicher immer nach der Umwelt zu richten, reagieren, wenn sie nur sich selbst sieht? Nun, sie reagiert mit Panik, wie Kevin Kelly herausgefunden hat. Sie fühlt sich wohler, wenn es sich nach anderen richten kann.
Wir reagieren ähnlich. Schließlich will niemand als anders, unecht oder gar falsch gesehen werden. Daher orientieren wir uns automatisch an den Menschen um uns. Wenn man sich die Auftritte in den sozialen Medien ansieht, stellt man schnell fest, dass sie immer ähnlicher werden und kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Als ich auf der Buchmesse in Leipzig die Auftritte verschiedener Autorinnen betrachtete, fiel mir schnell auf, dass sie alle vergleichbar handelten.
Keine Chance für das Anderssein?
Ich weiß aus eigener Lebenserfahrung, dass es auf Dauer belastend ist, eine Rolle zu spielen, auch wenn man dies sehr erfolgreich tut. Daher kann ich niemandem empfehlen, sich in den Reigen derer einzureihen, die alle nach Schema F handeln.
Letztlich bedeutet Authentizität sein Handeln nicht der Umgebung oder den Zielen anzupassen. Und Anderssein hebt einen schon mal aus dem Strom des Gleichen hervor und macht einen sichtbar. Es mag nicht jeden ansprechen, aber es ist absolut authentisch und das macht einen zumindest selbst glücklicher.
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Gibt es Authentizität in den sozialen Medien
Authentizität ist teil meines Charakters. Ich bin immer präsent, sage was ich denke und äußere Einflüsse lassen mich kalt auch wenn gerade das mitunter sehr schwierig sein mag. Es ist manchmal eine Gradwanderung, jedoch muss man sich selbst treu bleiben, sonst hat nichts einen Sinn.
Gibt es Authentizität in den sozialen Medien
Hallo,
das ist lobenswert. Ich wünsche dir, dass du dies beibehalten kannst.
Herzlichen Gruß,
Vera
b
Welch eine Frage! Jeder der hier schreibt wird sich selber als authentisch empfinden, außer es mangelt ihm an Selbstwertgefühlen. Das wird wohl kaum bei Autoren/Schriftstellern/Schreiberlingen zu finden sein, denn ihrem Wesen nach sind sie eher extrovertiert, sonst hätten sie nicht ein, manchmal übersteigertes, Mitteilungsbedürfnis.
Dein Beitrag ist hochinteressant und ich empfehle dringend darin dem link zum Zeit Artikel zu folgen.... hier zwei nachdenkenswerte Auszüge für die Flüchtigleser deines Beitrags:
* * *
Echte Profis bemühen sich daher nur noch um ein möglichst authentisches Ausfüllen verschiedener Ichvarianten. Der große Spötter Harald Schmidt hat das in einem seltenen Moment der Wahrheit einmal gut auf den Punkt gebracht. Gefragt, wann er denn einmal er selbst sei,antwortete Schmidt der FAZ, er sei gar nicht daran interessiert, wer er wirklich sei, sondern akzeptiere sich voll und ganz als "Charaktermaske". Im Moment des Interviews begreife er sich als Interviewten: "Dann geh ich raus, dann bin ich der Parkplatzgänger, der sein Ticket löst, und eventuell der joviale Köln-Bewohner: ›Hey, Schmidtchen, du hier!‹ Und dann bin ich wieder der Bahnreisende oder der Kinder-vom-Kindergarten-Abholer." Für Menschen, die vom "Authentizitätswahn" befallen sind, hat Schmidt nur ein müdes Lächeln übrig. Wirklich "ich selbst" sein könne man niemals. Man sei immer nur "das Man-Selbst, von dem man sich erzählt, dass man es ist".
…….
Aber gibt es nicht doch unverrückbare Eigenschaften, eine Art Kern der Persönlichkeit? Tatsächlich hat die Psychologie in den vergangenen Jahren eine Reihe von Eigenschaften beschrieben, die sich im Laufe einer menschlichen Biografie kaum wandeln. Dazu gehören die sogenannten Big Five – Extro-/Introvertiertheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit und Neurotizismus (also seelische Instabilität). Ähnlich wie unsere Intelligenz machen auch diese Eigenschaften zwar im Laufe unseres Lebens gewisse Veränderungen und Entwicklungen durch, aber die relativen Unterschiede zu anderen Personen bleiben dabei immer stabil. Wer als Kleinkind gewissenhafter oder intelligenter war als seine Altersgenossen, bleibt es auch als Erwachsener.
Zitat (Auszüge) aus dem entsprechenden Artikel aus der Zeit
* * *
Autoren sind immer auch Handelnde, ihr Sinn und Zweck ist eigentlich ihr Geschriebenes als Buch veröffentlichen zu wollen - und nun kommt dazu: Auf den eindringlichen Rat von Marketing-Experten sich selber in den social media zu präsentieren, so oft und gefällig (interessant) wie nur möglich. Da es unter den sich berufen fühlenden Autoren aber ziemliche Konkurrenz gibt (man sagt es gäbe in Deutschland allein mehr als Hundertausend unentdeckte Autoren), will man sich nicht von den vermeintlichen Erwartungen der künftigen Leser abheben, aus Angst, dann als verschroben abgelehnt zu werden. Also gleichen sich die Selbstdarstellungen doch sehr und der Leser hat das Gefühl hier sei mehr Anpassung als Authentizät geboten.
Die Frage ist - meiner Meinung nach - nicht ob der Author authentisch sei, das ist er bestimmt, allein seinem Wesen nach. Sondern ob er in den social media als Werbetreibender den Fokus mehr auf geschäftlichen Erfolg legt und nicht auf die Vorstellung seines Werkes.
Werbung ermüdet, das kennen wir vom Fernsehen, wo wir übermäßige Werbung stumm schalten - oder die Sendung gleich ganz wegklicken.
Das wollen doch Autoren nicht. Also dann schreibt mehr über die Kunst die ihr darstellen wollt, als über euch.
Wie steht es schon in der Bibel? An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.
Nix für ungut und frohes Schaffen
Euer Leser
b
Hallo Roland,
die Präsenz von Autoren im Social Media scheint dir ein Dorn im Auge zu sein. :-)
Du hast natürlich recht, dass ein Autor sich letztlich durch sein Werk darstellt. Aber das muss man eben erstmal mitkriegen und das wird nicht ganz ohne Werbung, wie auch immer, funktionieren.
Herzlichen Gruß,
Vera
Bist du authentisch
Nein, liebe Vera, da scheinst du mich gründlich missverstanden zu haben. Autoren in den Foren sind mir kein 'Dorn im Auge' warum denn auch?
Meine Äußerungen bezogen sich auf deine Frage nach der Authenzität von Autoren - also wie sich die Mehrzahl hier darstellt. Also mit dem Fokus auf Eigenwerbung und weniger dadurch, sich mit ihrer Kunst, ihrer Schreibkunst auseinander zu setzen.
Das ist lediglich meine nicht weiter maßgebliche Sicht der Dinge als Leser.
Herzlichen Gruß ebenso
Roland