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Gestern saß ich mit einem Zeitungsredakteur zusammen und wir unterhielten uns über meinen kommenden Buchstart. »Das ist ja fast wie ein zweites Outing«, stellte er plötzlich fest und ich sah ihn erstaunt an. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen, aber dann wurde mir bewusst, dass er recht hat. Plötzlich kamen Zweifel in mir auf. Mache ich vielleicht einen Schritt zu viel? Offenbare ich mich zu sehr in der Öffentlichkeit?
Ein Buch ist ein Schritt in die Öffentlichkeit.
Machen wir uns nichts vor. Von dem Moment an, an dem man ein Buch veröffentlicht hat, gibt man auch einen Teil von sich preis. Natürlich kann man versuchen, sich hinter einem geschlossenen Pseudonym zu verstecken, aber die können auch zur Belastung werden. Ein Pseudonym kam für mich nie infrage. Schließlich habe ich mich schon einen großen Teil meines Lebens verstecken müssen. Doch wie weit möchte ich den Menschen bereitwillig Einblick geben?
Angst vor der Google-Abfrage?
Vor einigen Wochen habe ich mich aus einer spontanen Laune heraus mal wieder in einer Singlebörse eingetragen. Nun lebe ich in einer kleineren Stadt und nicht viele Menschen in dieser Stadt sind so im Netz aktiv, wie ich es bin. Eine einfache Eingabe bei Google mit meinem Vornamen und meinem Wohnort ergibt daher schon genügend Treffer, um den Suchenden zu zeigen, wer ich bin. Nun habe ich nichts ins Netz gesetzt, für das ich mich schämen müsste. Aber es gibt ein Detail, dass so manchen Menschen, insbesondere Männer auf der Suche nach einer Partnerin, irritieren könnte.
Stimmt das Bild der Anderen?
Das Detail, das ich meine, ist mein männlicher Migrationshintergrund. Dies ist kein Geheimnis und war es auch nie. Ich erzähle bei vielen Auftritten davon. Kleine Nebenbemerkung: Wenn man bei Google, »Vera Nentwich« in der Suchzeile eingibt, schlägt Google gleich die Suche »Vera Nentwich Mann« vor. Dies scheinen also viele Menschen zu suchen.
Ich gebe zu, ich zucke kurz zusammen, wenn ich daran denke. Nicht, weil ich mich für irgendetwas schämen würde. Dafür gibt es wahrlich keinen Grund. Nein, der Gedanke, der mich beunruhigt ist, dass die Menschen ein falsches Bild von mir haben könnten. Schließlich ist das Thema Transsexualität durchaus mit Vorurteilen behaftet und ist nicht jeder Mensch offen.
Offenheit entlastet
Mir war klar, dass mit Veröffentlichung meines Buches »Wunschleben«, dieser Teil meines Lebens wieder präsenter werden würde. Dennoch habe ich daran gearbeitet, dass dieses Buch das Licht der Welt erblickt. Ich wollte es also gar nicht anders. Interessanterweise handelt das Buch von genau diesem Teil meiner Geschichte am Beispiel der fiktiven Figur Anja Köhler. Auch sie steht vor der Frage, wie sichtbar sie sein will und ob das Wissen der Anderen nicht ihre eigene Identität als Frau gefährdet.
Ich habe diese Frage für mich längst beantwortet. Aber jeder muss für sich seine eigene Antwort finden. Falls du mit einer ähnlichen Herausforderung beschäftigt bist, kann ich dir einen Rat mit auf den Weg geben:
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